Die Laméspitze

Die Laméspitze prägt das Erscheinungsbild der Radhaube. Doch woher kommt diese? Wie lange gibt es sie? Shpanyer Arbet oder Russischer Klöppelschlag sind alternative Ausdrücke und machen uns neugierig!

Laméspitze an einem süddeutschen Trachtenmieder.

Geschichte - 

Ich erzähle, wie ich über Jahre Mosaiksteinchen zur Geschichte der Laméspitze zusammengetragen habe.

1950 bis 1970-iger Jahre 
abhängig von einer Haubenmacherin

Als junger Bursch bin ich bei der Trachtengruppe Feldkich und bekomme mit, dass niemand in Vorarlberg in der Lage ist Radhauben anzufertigen. Nur eine Frau in St.Gallen beherrscht die Kunst, die erforderlichen Goldspitzen zu erzeugen. Die maßgebenden Damen in unserem Verein erzählen, von den schwierigen Gesprächen mit der Dame, um Berücksichtigung bei der Lieferung einer neuen Haube zu finden. Einen konkreten Liefertermin zu erhalten ist sowieso unmöglich. So werden werden bevorstehende wichtige Anlässe als Druckmittel vorgeschoben.

Bild:
eine der ersten Haube von Rosa Enzler-Wick. Sie beherrscht die Technik noch nicht richtig. Die Breite der einzelnen Windungen kann sie schlecht steuern, da sie temporär einen Kartonstreifen als Hilfsmittel mitzieht. Nichts desto Trotz ein wunderbares Werk.

1977 - 1980  Wege aus dem Monopol

 

Die Situation wird immer prekärer, Frau Wick geht auf den Achtziger zu,  wir wissen nicht, wie lange wir noch Hauben erhalten. Ein Lichtblick - an der Schule für Textilrestauratoren hat sich eine junge Frau angeboten die Herausforderung anzunehmen und für uns eine Haube zu machen. Eine Handarbeitslehrerin aus unserem Verein versucht sich ebenfalls in diesem Kunsthandwerk. An Fragmenten einer alten Haube wird die Goldspitze rückwärts aufgewickelt und so die Technik nachempfunden.  In ein Abstimmungsgespräch kann ich mich einklinken. Die Sache interessiert mich. Unser Verein bestellt bei Frau Stross eine Haube. Heimlich mache ich selbst Versuche. Bin ich schneller als Frau Stross? Später erfahre ich, dass bereits zwei Jahre früher an der Schule für Textilrestauratoren Frau Blanda Winter aus Feldkirch eine Haube als Praktikumsarbeit ausgeführt hat. 

Bild: 
meine erste Haube

Die erste Haube nach Rosa Enzler Wick von Frau Blanda Winter 1978.  Blanda Winter aus Feldkirch, 30 Jahre Textilrestauratorin am Museum für angewandte Kunst, Wien fertigte die Haube im Rahmen ihrer Ausbildung zur Textilrestauratorin.
Depot Vorarlberg Museum Tr 933

Stephanie Stross, die wie Blanda Winter die Schule für Textilrestauratoren in Wien Herbststraße besuchte, fertigte in den 1980-iger Jahren insgesamt 5 Radhauben. 

Depot Schattenburgmuseum.

Shpanyer Arbet - Treasures of Jewish Galicia

 

1995 - Beth Hatefutsoht, The Nahum Goldmann Museum of the Jewish Diaspora, Israel arbeitet die Kultur der jüdischen Bewohner Galiziens aus dem 19. Jahrhundert auf. Es gibt eine Ausstellung mit einem tollen Katalog auf den ich aufmerksam gemacht werde. Mit viel Glück kann ich einen ergattern.

Für unsere Radhaube bzw. Laméspitze ist der Bericht über die Shpanyer Arbet von Esther Juhasz brennend interessant. Es ist die analoge Metallspitze die hier für jüdische Festtagskleidung und sakrale Gewänder eingesetzt wird. In Familienbetrieben werden von 1830 bis 1930  diese Gold- und Silberspitzen angefertigt. Der ausführliche Bericht liest sich sehr spannend . Der Gründer flieht mit Goldmaterial aus der russischen Armee. War das Wissen bei russischen Juden? Die Bezeichnung "russischer Klöppelschlag" weist darauf hin. In Galizien wird das Wissen um  die Fertigung in den Familienbetrieben streng gehütet.

Bild: 
Brusteinsatz in Shpnayer Arbet

Shpanyer Arbet - Hinweis auf Herkunft

 »Die ›Shpanyer Arbet‹, wie die Spitze im ›Schtetl‹ genannt wurde, weist auf die Herkunft aus  Spanien hin, von wo die Juden im Mittelalter vertrieben und über Europa verstreut wurden. Entfernte Zeugnisse dieser Kunst sehen wir noch heute auf den Gemälden von Velasquez.« Siehe auch das Bild im Kapitel Geschichte der Radhaube.








Bild: 
Diego Velazquez   Königin Isabel 1632

Beispiele für Shpanyer Arbet - unsere Laméspitze

Die nachfolgenden Bilder sollen zeigen, dass unsere Laméspitze nicht nur für die Radhaube eingesetzt wurde. Auch, dass schon vor die Radhauben ihre Blütezeit hatten, die Laméspitze verschiedene Kleidungsstücke schmückte.

Riegelhaube Augsburger Gegend

Gollerhemd Biberach

Bockelhaube 18 Jhdt.

Gürtel Museum Obersdorf

Handtasche Obersdorf

Reginahaube Augsburg

Tallit jüdischer Gebetsschal

 jüdische Gebetsmütze 


Heiligengewand - Flawil/SG

Gäubodentracht Niederbayern


Foto von 1934 aus der Sammlung Schmachtenberger, Augsburg