Geschichte der Radhaube
Wie und wann ist sie entstanden ?
Kunstvoll gebundene Kopftücher
Kopftücher gelten als die Urform der Kopfbedeckung und leben auch heute noch in verschiedenen Trachten Europas weiter.
Beispiel ist die schwierig zu bindende Flügelhaube der Mühlviertlerin-oben. Unten eine Weiterentwicklung in einer französischen Tracht.
Die Doucettehaube
Ein Vorgänger der Rad- und Gold-hauben war die „Doucettehaube“ wie sie im 17. Jahrh. getragen wurde.
In einer Tracht aus Frankreich hat sich diese Form bis heute erhalten.
Doucettehaube aus Dornbirn Anfang 18. Jahrh.
Maria Franziska Ölz – Stauderin aus Dornbirn 1717 - offensichtlich eine Weiterentwicklung der Doucettehaube.
Von der Doucettehaube stammt der weisse Spitzenvorstoss unserer heute getragenen Hauben.
Die Bockelhaube
Mitte 18. Jahrhundert
Um 1750 wurde die sogenannte Bockelhaube getragen. Es gab sie in verschiedenen Farben und Ausführungen, auch in Gold wie das Beispiel aus Feldkirch zeigt.
Frau Bretschneider, Feldkirch
Bockelhaube
Ende 18 Jh.
Hier ein weiteres Beispiel dazu aus unserer Region. Maria Katharina Feuerstein 1746 - 1817 aus Dornbirn. Das Foto aus den Stadtmuseum Dornbirn hilft uns bei der zeitlichen Zuordnung.
Auf Gruppenfotos der Trachtengruppe Feldkirch aus den Jahren 1930 bis 1950 trägt Frau Dieterle noch so eine Haube.
Bodenhaube
Ende 18 Jh.
Aus der Bockelhaube entwickelte sich die Bodenhaube. Bodenhaube deshalb, weil diese einen separaten Boden das „Bödele“ hatte. Boden-hauben findet man in ganz Europa in zahlreichen Formen und Materialien.
Hier ein Beispiel aus dem Schattenburgmuseum.
Bodenhaube aus Feldkirch
Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem Epitaph der Familie Kaspar Weinzirl (gest. 1782) aus Feldkirch und ist ein toller Nachweis, dass diese Haubenform um diese Zeit in Feldkirch getragen wurde. Es hängt im Rathaus Feldkirch neben der Türe zum Ratssaal.
"Bödele" aus Feldkirch
Sogenannte Bödele konnten nach mündlicher Überlieferung in Feldkirch bei der Fa. Vallaster in der Marktstrasse, früher Fa. Leibinger gekauft werden. Diese wurden jedoch vermutlich für Chenillé-Hauben verwendet. Mehrere solcher Bödele werden im Schattenburgmuseum Feldkirch aufbewahrt.
Becherhaube Übergang 18/19. Jht.
Hier kann man den Aufbau der Bodenhaube gut erkennen. Den "Boden" am Hinterkopf und den Streif quer "von Ohr zu Ohr" gehend. Während sich aus dieser Grundform europa-weit unterschiedlichste Haubenformen entwickelten, adaptierte eine Haubenmacherin bei uns eine Spitze in den Übergang.
Vorarlberger Landesmuseum
Becherhaube aus
Weingarten
Größer, schöner, wer ist die Schönste im Land? In ganz Europa ist zu dieser Zeit ein Trend zu immer grösseren Hauben. Unsere Spitze eignete sich hervorragend die Haube eindrucksvoller zu gestalten. Der Rand wurde mit dem Fuße eines Trinkbechers verglichen. Die Becherhaube und damit eine kleine Rad-haube entstand.
Beispiel aus Weingarten
Radhaube
Anfang 19 Jh.
Selbstverständlich blieb die Entwicklung nicht stehen. Der anfängliche Rand der Becherhaube eignete sich hervorragend für neue Kreationen. So wurde der Rand immer kunstvoller und größer gestaltet, die Radhaube war geboren. Dieses Bild von Frau Bretschneider aus Feldkirch wurde 1821 gemalt.
Radhaube - "Pfauenrädle"
Ein weiteres Beispiel einer frühen Radhaube aus Feldkirch. (Bild im Schattenburgmuseum) In unserer Nachbarschaft, in Schwaben wird diese Art Haube „Pfauenrädle“ genannt. Diesen Ausdruck habe ich in Vorarlberg allerdings bisher nicht gefunden.
Die ersten
Fotos
Die ersten Fotos von Radhauben, das Rad wird grösser und ist nicht mehr so stark nach hinten gebogen. Bei den älteren Hauben fällt auf, daß die Motive sehr dicht gearbeitet sind. Die Dame auf dem Foto ist Frau Agnes Kinz, Frau des Bürgermeisters aus Bregenz. Das heisst, es müsste nach 1920 gemacht worden sein.
Die Ära
Rosa Enzler-Wick
Von 1925 bis 1975 fertigte Frau Rosa Enzler-Wick aus Gossau/CH für den ganzen Bodenseeraum Radhauben. Hier eine frühe Arbeit von Frau Enzler - vor 1937. Das Rad ist nun komplett eben und „flieht“ nicht mehr nach hinten. Charakteristisch für die Hauben aus dieser Zeit ist die möglichst vollflächige Füllung des Ornaments.
Geschichte der Laméspitze
Die Geschichte der Radhaube ist Teil der Geschichte der Lamésspitze. Von mittelalterlichen, spanischen Königsgewändern über Rußland zur Spanyer Arbet der jüdischen Kultur bis zu unserer Radhaube spannt sich der Bogen. Mehr darüber im Kapitel Spanyer arbet.
Die Radhaube heute
Menschen die faszniert sind vom goldenen Glanz und der einzigartigen Handwerkskunst tragen das Erbe weiter.
Trachtengruppen
Heute sind es die Trachtengruppen die das Erbe weitertragen. Ob im Allgäu, in Schwaben, der Ostschweiz oder in Vorarlberg, das Brauchtum lebt. Menschen wie du und ich leben die Tradition.
HaubenmacherInnen
Besonders in Süddeutschland haben sich zahlreiche Frauen selbst eine Haube angefertigt. In St.Gallen und Vorarlberg sind es wenige Spezialist-Innen. In Gressoney in Italien gestalten Trachtenfrauen ihren wunderbaren Kopfschmuck.
Unesco-Kulturerbe
2010 wurde die Bodensee-Radhaube als erstes Vorarlberger Kulturgut in das Immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen, worauf wir sehr stolz sind.
Geschichten rund um die Radhaube
Jede Haube hat ihre Geschichte. Wer hat sie gemacht ? Wann ? Wer waren die Trägerinnen? Bei welchen Anlässen wurde sie getragen ?
Die Haube der Königin
Dies ist die Haube der legendären italienischen Königin Regina Margaritha. Sie hatte ihre Sommerresidenz im Val Gressoney und ließ sich eine Tracht des Tales mit dieser Haube anfertigen. Nach Königin Margaritha ist die höchste Hütte Europas auf dem Mote Rosa benannt. Auch die Pizza Margaritha geht auf sie zurück.
Bewegte Vergangenheit über Kontinente
Mit Auswanderern gelangte diese Haube nach Amerika und wurde nun wieder zur Restauration zurück nach Europa gesandt. Wurde sie auch in Amerika getragen? Wie oft wurde sie vererbt?
Weltausstellung Paris 1937
An der Weltausstellung 1937 wurde im schweizer Pavillion diese Radhaube von Frau Rosa Enzler Wick ausgestellt. Frau Wick war besonders stolz darauf. Bereits 1928 hat sie diese Haube angefertigt. Haube im Depot des histor. Museums St.Gallen
Historie im Innern der Haube
Auf all ihren Hauben hat sich Frau Wick, auf dem Karton im Hauben-boden, verewigt. Hier die Aufzeich-nungen von Frau Wick in der nebenstehenden Haube der Weltausstellung 1937.
Die Geschichte der Radhaube hat Gesichter
Rosa Enzler-Wick - Gossau St.Gallen
Von ca.1925 bis 1975 fertigte Frau Wick Trachtenhauben für den ganzen Bodenseeraum. Mühsam hat sie sich die die Technik der Laméspitze erarbeitet. Allerdings dann auch als ihr Allein-stellungsmerkmal für sich behalten. Ihre Hauben haben eine eigene "Handschrift"
Agnes Kinz - Bregenz
Agnes Kinz war die Frau des Bregenzer Bürgermeisters. Sie war im Trachtenwesen sehr engagiert und forderte und förderte Rosa Enzler-Wick. Ein toller Schriftverkehr zwischen den Damen ist erhalten. Im Vorarlbergmuseum ist die Hauben-sammlung von Frau Kinz ausgestellt. Für die Laméspitze verwendete sie den Ausdruck "Russischer Klöppelschlag"
Anna Peccoz - Gressoney, Italien
Anna Peccoz (abgeleitet vom walserischen Namen Beck) wünschte sich sehnlichst eine Tracht des Tales. Ihre Mutter sagte, das Geld für den Stoff zu. Nähen mußte sie die Tracht selbst. Worauf hin sie zur Trachtenschneiderin des Tales wurde. Ein großes Problem war die Anfertigung der Haube. Drei Mal nahm sie vergeblich den weiten Weg nach St.Gallen zu Frau Enzler auf sich. Stolz trägt sie die Haube der Königin.
Die goldene Bodensee-Radhaube - Das Buch
Bucher Verlag, Hohenems - ISBN-13: 978-3990180655
Dieses Buch dokumentiert Geschichte und Gegenwart der Goldenen Bodensee-Radhaube mit einem starken Akzent auf der Praxis. So wird die Herkunft der kunstvollen Kopfbedeckung aus verschiedenen einfacheren Vorgängermodellen ebenso beleuchtet wie die aktuellen Fertigungsmethoden. Es handelt sich dabei um komplizierte und nur wenigen Eingeweihten vertraute Arbeiten mit kostbaren Materialien und seltenen Werkzeugen. Zahlreiche Fotografien belegen den langen Weg vom kunstvoll geknüpften Kopftuch zur eleganten Radhaube, geben Einblicke in den Bestand der Museen und veranschaulichen die fachmännischen Anleitungen zur Herstellung der Haube.
Geschichte der Radhaube und Geschichten rund um dieses Kulturgut.
Ausführungsvariaten, regionale Besonderheiten in vielen Bildern
Detailierte Beschreibung zur Ausführung insbesondere der Laméspitze